Bild: Julia Puder, BUND Magazin
Transformateure gratulieren zum runden Geburtstag

von Martin Heldf
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Die Transformateure gratulieren Hubert Weiger ganz herzlich zu seinem runden Geburtstag. Wie bei so vielen seiner Initiativen und Aktivitäten war er auch bei uns Transformateuren ein wichtiger Geburtshelfer. Ohne ihn hätten wir uns am 1. Juli 2011 nicht gegründet.

Hubert Weiger setzte sich bereits aktiv für die große Transformation von der fossilen Nichtnachhaltigkeit in Richtung einer sozial-ökologisch ausgerichteten, nachhaltigeren Entwicklung ein, als es das Verständnis für diese Transformation gesellschaftlich noch gar nicht gab. Seit nunmehr über 50 Jahren! Er ist einer der tragenden aktiven Figuren für diesen Umbruch, ein Transformateur der ersten Stunde. In Deutschland und weit darüber hinaus.

Bereits in den 1970er Jahren setzte er sich für das Phasing-out der Atomkraft und für ein durchgreifendes Phasing-in der erneuerbaren Energien ein. Ebenfalls bereits ab den 1970er Jahren engagierte er sich für eine naturnahe und resiliente Waldwirtschaft ebenso wie für eine alternative Landwirtschaft, aus der sich die ökologische Landbaubewegung entwickelte.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre war er eine treibende Kraft im Tutzinger Forum Ökologie. Das Forum machte die ökologischen Folgen des Flugverkehrs bereits 1987 zum Thema. Daran kann man die „Methode Weiger“ beispielhaft sehen. Sich seiner Zeit oft weit vorauseilend zu Themen engagieren, aus zunächst klein erscheinenden Anfängen heraus Wirkung zeigen, gesellschaftliche Problemlagen im Umgang mit der Natur auf die Tagesordnung setzen, andere Menschen dabei mitnehmend.

Nach dem Fall der Mauer hat er in den 1990er Jahren sehr frühzeitig die Chance ergriffen, aus der vormaligen Todeszone ein Überlebensband zu machen und das Grüne Band zu initiieren, Naturschutz mit der kulturell-gesellschaftlichen Entwicklung zu verbinden. Diese Verbindung mit der deutschen Geschichte ist heute buchstäblich ergehbar und mit dem Fahrrad erfahrbar.

Es ist sehr viel, was er alles in einem Leben angepackt hat. Es ist viel zu viel, all seine Funktionen, Initiativen, Engagements und Ehrungen aufzulisten, die Vielzahl und Bandbreite seiner Publikationen. Das ist alles nachzulesen und werden andere Organisationen und Freunde von ihm würdigen. Aus der Vielzahl der gemeinsamen Aktivitäten und Begegnungen mit ihm wähle ich nur einige wenige weitere aus, die Hubert als Pionier der sozial-ökologischen Transformation zur Nachhaltigkeit kennzeichnen.

In bleibender Erinnerung ist mir seine noch in den 1990er Jahre beginnende Zusammenarbeit mit einer japanischen Naturschutzgruppe. Das war damals alles andere als naheliegend für den Vorsitzenden des BUND Naturschutz in Bayern. Ich erinnere mich, wie er gemeinsam mit mir in der Evangelischen Akademie im März 2007 eine Deutsch-japanische Begegnung mit dem programmatischen Titel „Voneinander lernen – von Umweltkonflikten zu Lösungen“ organisierte. Anschließend waren wir mit einer gemischten Gruppe drei Tage auf einer Exkursion unterwegs, vom Naturschutz- und Jugendzentrum des BUND Naturschutz in Wartaweil am Ammersee über die Renaturierung der Isar in München, weiteren Stationen über Niederalteich, dem Ort des Widerstands gegen die Donaukanalisierung bis zum Nationalpark Bayerischer Wald auf dem Rachel. Mit vielen jungen japanischen und deutschen Natur- und Umweltschützerinnen. Wir älteren durften mit dabei sein.

Was zunächst ganz nett klingen mag, Bestandteil der Arbeit von Naturschutzaktiven, erwies sich als vorausschauend, diese Verbindung von Heimat- und Naturliebe mit Weltoffenheit. Nach der Dreifachkatastrophe von Fukushima im März 2011 erwiesen sich die persönlichen Verbindungen nach Japan von zentraler Bedeutung für den endgültigen deutschen Atomausstieg. Hubert Weiger und Richard Mergner waren die ersten ausländischen Redner bei den großen Anti-AKW Demonstrationen in Tokio. Hubert Weiger hatte in der Folge persönlich mehrere Gespräche mit dem früheren Ministerpräsidenten Naoto Kan, der in der Zeit der Reaktorkatastrophe japanischer Ministerpräsident war. Kan, von Beruf Atomphysiker, berichtete ihm über die totale Hilflosigkeit der Betreiber der Kernkraftwerke und der politischen Verantwortlichen in der sich entwickelnden Katastrophe.

Bei der Tutzinger Transformations Tagung „Erfolgreiche Wege zur Großen Transformation“ im November 2013 konnten alle im Saal spüren, wie Hubert Weiger, damals Vorsitzender des BUND, und Jürgen Wechsler, damals Vorsitzender der IG Metall Bayern, über alle Unterschiede hinweg sich verstanden, sie aufeinander eingingen. Sie verkörperten, dass es nicht einfach um ein vordergründig instrumentelles Zusammenarbeiten geht, so wichtig das auch sein mag, sondern dass das Soziale und das Ökologische zusammengehören. Aus dieser Tutzinger Begegnung entwickelte sich in der Folge eine zunehmend engere Zusammenarbeit der IG Metall Bayern und dem BUND Naturschutz in Bayern.

Für Hubert Weiger ist die kulturelle Dimension eine tragende Säule einer Transformation zur Nachhaltigkeit. Die beliebte Gegenüberstellung von Kultur und Natur versperrt den Blick darauf. In der Tutzinger Transformations Tagung „konsequent – nachhaltig – handeln“ (online Februar 2021) war im Panel „Menschen begeistern – eine Kultur der Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Veränderung fördern“ seine persönliche Begeisterung und sein Engagement dafür zu spüren. Mit Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat, initiierte er ein Projekt zu Heimat und Naturschutz, sein Engagement für Demokratie unterstreichend.

In starker Erinnerung sind mir seine Erzählungen aus der Arbeit der Kohlekommission, dem mühevollen Versuch, die gesellschaftlichen Folgen und Konflikte angesichts des verspäteten Ausstiegs aus der Braunkohle in eine konstruktive Transformation zu überführen.

Plastisch ist mir vor Augen, wie er sich im Juli 2021 bei der Veranstaltung der Transformateure mit dem PolitikLabor „Agrarwende 2035“ mit den unterschiedlichsten Akteuren auf unsere Erkundung mit ungewöhnlichen Methoden im ZUK (Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern) einließ. Offen für andere Perspektiven und dem Versuch, die unterschiedlichen Perspektiven in eine konstruktive Richtung gemeinsam voranzubringen.

Die freundschaftliche Zusammenarbeit mit Hubert macht bei aller Tragweite der Themen und Probleme Spaß, um die es bei unseren gemeinsamen Anliegen und Aufgaben geht. Die Zusammenarbeit mit ihm ist weiterführend, trug und trägt er doch über die Jahrzehnte zu einer besseren Vernetzung vieler Menschen bei, die sich in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Zusammenhängen für die Erhaltung und Förderung der Lebensgrundlagen einsetzen.

Auf die Frage „Wo bin ich selber ein Akteur der großen Transformation?“ antwortete er: „Als Mitglied des Rates der Bundesregierung für nachhaltige Entwicklung bemühe ich mich, die aktuellen Positionen zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung im Sinne der Transformation voranzubringen. Die Folgen der Corona-Epidemie zwingen uns zum Umdenken im Bereich der Sicherung des Gemeinwohls und der Sicherung resilienter Systeme. Es ist notwendiger denn je, Biodiversität und Klimaschutz zusammenzudenken und die ökologischen mit den sozialen Fragen zu verknüpfen. Dafür setze ich mich in meiner Arbeit besonders ein.“

Lieber Hubert, du warst als Zivi beim Bund Naturschutz in Bayern vor nunmehr über 50 Jahren Pionier. Du bist weiterhin ein Transformateur, der neue Wege aufzeigt und mitgeht.

Lieber Hubert, nochmals unsere ganz herzlichen Glückwünsche zu deinem 75er. Vieles hat sich an deinem runden Geburtstag gerundet. Viele weitreichende Aufgaben liegen weiterhin vor dir. Wir wünschen dir dazu weiterhin Kraft und Ausdauer. Und zugleich die Gelassenheit, bei all deinen Aktivitäten in Zukunft auch einiges zu lassen.

Transformateure, Tutzing/München 21. April 2022

Für Rückfragen:

Martin Held, Koordinator Transformateure, Tutzing

Links:
Hubert Weiger auf unserer Homepage
Die Geschichte der Transformateure